Jeden Tag die Kette rechts!

Ich oute mich jetzt mal als Klugscheißer, falls es noch nicht bekannt ist. Das Motto im Titel ist wohl eines der Radrennfahrer (ich bin keiner, eine Freundin jedoch). Gleichwohl fahre ich jeden Tag um die 20 km, am Wochenende etwas mehr auf Leistung. Daneben Box- und Nahkampftraining, wenn Corona es mal wieder erlaubt. Einfach nur, um mich zu quälen und fit zu halten.

Jeden Tag also aus der Komfortzone raus, über die eigenen Grenzen gehen und sehen, was geht. Jeden Abend müde und zufrieden ins Bett fallen.

Und irgendwann, nach einiger Zeit, sieht man, dass man mehr kann als zuvor! Siegen heißt eben nicht, besser zu sein, als jemand anderes, siegen heißt, besser zu sein, als man es gestern oder vor einer Woche war. Jeder nach seiner Facon, jeder nach seinen Grenzen.

Ihr, die Ihr Euch auf die Prüfung vorbereitet (jeder nach seiner Facon, jeder nach seinen Grenzen) kennt das Gefühl, jederzeit Kette rechts zu fahren, Euch zu quälen, jeden verdammten Tag die Komfortzone zu verlassen! Es heißt für Euch jeden Tag: Nicht aufgeben, weitermachen, nicht verzweifeln.

Am Ende des Tages, an den drei Tagen im Oktober, werdet Ihr besser sein, als Ihr es heute noch wart! Nicht zwingend besser als jemand anderes, aber besser als Ihr selbst, noch vor einiger Zeit.

Und, ja, macht jeden Morgen Euer Bett! Wenn Euer Tag scheiße war, dann ist abends wenigstens das Bett gemacht!

In seinem besagten Buch schreibt McRaven, dass die SEAL-Anwärter während der Aufnahmeprüfung sich häufiger zum Sugar-Cookie machen müssen. Das heißt, das sie auf Befehl hin (rein zufällig und willkürlich) ins Meer und sich hinterher am Strand im Sand wälzen müssen, bis kein Stück Haut mehr ohne Sand ist; dann wird weitertrainiert und sich wundgescheuert.

Er schreibt, dass jeder, so gut er auch vorbereitet ist, im Leben zum Sugar-Cookie werden kann. Es kann verlieren, er muss sich weiterquälen, er muss stehen und darf niemals aufgeben (Never ever ring the bell!).

Das Gefühl kennt Ihr auch: Ihr lernt und arbeitet, seid hammermäßig vorbereitet, dann kommt eine Scheißklausur mit einer exotischen Fragestellung, die man weder versteht, noch beantworten kann. Heulen könnte man, ja. Man ist zum Sugar-Cookie geworden. Ihr leckt gleichwohl die Wunden, steht auf und macht weiter; Ihr gebt nicht auf! Never ever ring the bell!!!

Der Wille entscheidet!

Mein persönlicher Weg zum Titel

Dass ich einmal Steuerberater werden würde, wurde mir nicht an meiner Wiege gesungen… bei Weitem nicht. Stammend aus einem Arbeiterhaushalt, aufgewachsen auf den Straßen eines Industrieortes im Norden Deutschlands besuchte ich die örtliche Hauptschule.
Wichtig war nicht die klassische Bildung, wichtig war, die Straße und deren Menschen zu lesen, Gefahren zu erkennen und „gerade“ zu sein.
Keine Ahnung, was ich als Kind oder Jugendlicher habe werden wollen… Schornsteinfeger hatten mich mal fasziniert, wie sie so auf den Dächern balancieren konnten… das weiß ich noch.

Nachdem ich Hauptschule, nachgeholte mittlere Reife, eine Ausbildung, eine Weiterbildung absolviert hatte und dann berufskrank wurde, wusste ich nicht weiter.
 
Irgendwas studieren wäre schön, so hatte ich mir gedacht. Und da ich dank meiner Ausbildung plus Weiterbildung eine Hochschulzugangsberechtigung erworben hatte (ich habe, wie oben erkennbar, kein Abitur), stand mir dieser Weg grundsätzlich offen.
 
Nur was?
Ich war mittlerweile 31 und ein sozusagen schönes Studium war schwer möglich, da ein anschließender Job im Vordergrund stand, nicht meine intellektuelle/ geistige Befriedigung.
 
In der Familie meiner Frau gab und gibt es einen Steuerberater, der über kurz oder lang einen Nachfolger brauchte, er hatte mich angesprochen, ob ich nicht BWL studieren würde wollen, um dann die Steuerberaterprüfung zu absolvieren, damit ich in seine Kanzlei einsteigen und dann ggf Nachfolger werden könne.
 
BWL ist nun nie mein Traumstudium gewesen, aber aus der Not herausgeboren besser als nichts!
 
Ich habe dann BWL mit Schwerpunkt Steuern studiert (per Umschulung durch die BG gefördert).
 
2005 hatte ich mein Diplom und die Vorbereitung auf die Prüfung begann; zum Erwerb meiner zweijährigen Praxiszeit habe ich in der besagten Familienkanzlei gearbeitet.
 
Durchgängig von 2005 an hatte ich berufsbegleitend Lehrgänge bei Huttegger (Kiel) absolviert, zunächst die Grundlagenkurse, dann die Klausurenkurse.
Wer mich aus dem nwb – Blog schon kennt, weiß, dass ich zwei Jahre lang keinen Feierabend, kein frei, keinen Urlaub und keine Feiern gehabt hatte.
In jeder freien Minute wurde gelernt! Das war meiner Getriebenheit geschuldet, da ich nur die eine Chance hatte.
 
Eine Freistellung habe ich nicht in Anspruch genommen, ich habe lediglich kurz vor der schriftlichen Prüfung den 6-Wochen-Klausurenkurs besucht und das war es dann.
Zusammen mit dem berufsbegleitenden Klausurenkurs habe ich, ich glaube, um die 50 Klausuren geschrieben.
 
Wichtig ist sind mE beide Kurse, wobei zum Ende hin die Klausuren immer wichtiger werden, um die Technik und Taktik zu lernen und immer wieder zu wiederholen.
 
Der Wille entscheidet! Oder, wie der Lateiner sagt, Facit Omnia Voluntas!
 
Dazu muss ich der Vollständigkeit halber sagen, dass mein Kind 6 Jahre alt war, sich aber meine Frau um alles gekümmert hat. Sie hat mir den Rücken freigehalten, so dass ich habe lernen können. Gut, es ging um die Zukunft der ganzen Familie!
 
2007 habe ich dann die schriftliche Prüfung geschrieben. Mit meiner Frau hatte ich abgesprochen, dass ich, wenn ich meine, genügend geschrieben zu haben, abgeben werde. Die Hälfte falsch – ungefähr – hat man immer, von daher ist der Erfolg nach dem Schreiben nicht mal ansatzweise abzuschätzen. Ein zuverlässiges Gefühl gibt es nicht, bin ich überzeugt…
 
Nach der Abgabe hat es denn geheißen zu warten… bis zum 18.12.2007. 
 
Parallel zum Warten hatte ich mit der Vorbereitung auf die mündliche Prüfung begonnen; ich denke, so ab November 2007.
 
Am 18.12.2007 war der Brief im Kasten… drei Versuche habe ich gebraucht, den Brief mit dem Brieföffner zu öffnen, so sehr habe ich gezittert…
 
Das Schreiben dann gelesen… bestanden!
Mit 4,5 zwar, aber immerhin… durch… mündliche Prüfung…
 
Im Januar 2008 hatte ich dann die mündliche Prüfung.
Der Vortrag war super und in den Fragerunden wurde ich (wir waren zu dritt: 4,5 / 4,3/ 4,0) zu Anfang vermehrt befragt, was sich dann aber ab Runde 3 ungefähr gegeben hat. Die Kommission, die auf Bestehen geprüft hat, hat wohl gesehen, dass ich es kann und der Gesellschaft steuerrechtlich mehr nutze als schade oder so ähnlich…

Im Februar 2008 wurde ich bestellt, war Steuerberater und glücklich.
 
Glücklich allerdings nur einige Jahre… ich habe die ganze Zeit über sehr schlecht verdient, aber die Aussicht auf die Übernahme der Kanzlei hat mich motiviert gehalten… ich war ein Believer (habe geglaubt, gehofft, vertraut)… bis Ende 2013/ Anfang 2014
 
2013/ 2014, ich war mittlerweile in Bürogemeinschaft, hatte mich mein Partner um erhebliche Summen betrogen und ich hatte nichts mehr!
Kein Geld, keine Aussicht, dafür Sorgen, die aber im Übermaß.
 
Ende 2013 fand ich eine Stellenanzeige in der Zeitung …  eine Kommune suchte einen Abteilungsleiter Steuern! Bewerben kostet nichts, außer Porto…
Mithin habe ich mich beworben, wurde genommen und seit 2014 arbeite ich im öffentlichen Dienst und bin zufriedener als ich es jemals war.

Lehren daraus:

  1. Zum Bestehen der Prüfung braucht es:

Wissen,

Glück,

Gesundheit an den Prüfungstagen.

  1. Mit gebrochenen Versprechen und wertlosen Handschlägen kann man irgendwann die Wände tapezieren.
  1. Was sich der Mensch erdacht hat, kann vom Menschen bewältigt werden.
  1. Der Wille entscheidet.
     
    Soweit erst einmal meine Geschichte…
     
    Wenn Ihr Fragen habt, fragt gerne…
     
    Euer Attila