Liebe Beate, liebe alle,
ich habe überlegt, ob und wie ich diesen Text schreibe, denn ich bin einer dieser Streber,
denn ich habe die schriftliche Prüfung mit 3,16 bestanden.
Ich schreibe diese Zeilen in der Absicht vielleicht dem ein oder anderen eine Hilfestellung zu geben, meine Perspektive auf diese Prüfung aufzuzeigen und da ich denke, dass ich die Systematik des Klausurenschreibens und die nötige Herangehensweise ganz gut verstanden habe.
Vielleicht ein paar grundlegende Dinge vorab bevor ich über „meinen Weg“ zum StB berichte:
1. Diese Prüfung ist sehr hart, aber schaffbar! Entscheidend sind hier Wille und Disziplin.
2. Ich persönlich hatte keine familiären Pflichten und habe allerhöchsten Respekt davor, wenn man neben dem Lernen noch Kinder, Haushalt, Job und Familienleben managen muss. Ich bezweifle, dass ich das geschafft hätte.
3. Lasst euch nicht zu sehr von anderen beeinflussen oder sogar verunsichern. Entscheidend ist, dass ihr euren Weg findet und diesen dann mit Vollgas durchzieht. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, der immer und für alle klappt. Dafür sind Menschen und die persönlichen Umstände viel zu unterschiedlich.
4. Es ist eine theoretische Prüfung bei der es darum geht in einer vorgegebenen Zeit möglichst viele Punkte zu erreichen. Das hat manchmal mehr, manchmal weniger mit der Praxis zu tun. Ich kenne Leute die in ihrem beruflichen Umfeld sehr gut sind, aber an dieser Prüfung scheitern, da der Fokus zu wenig darauf liegt an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Schnitt alle 5 Minuten einen Punkt einzusammeln (360 Minuten / 5 = 72 Punkte insgesamt, alle 7,2 Minuten reicht aber auch zum bestehen :-)).
Nun zu meinem Weg zum Steuerberater:
Meine Reise begann so wirklich am 18.03.2020 als Deutschland in den ersten Lockdown ging.
Ich habe mir ab diesem Zeitpunkt vorgenommen mich nun vollends auf die Vorbereitung der Prüfung zu konzentrieren.
Dafür bin ich unter der Woche jeden Morgen um kurz vor 6 aufgestanden und habe von 6 – 9 Uhr Theorie gelernt in dem ich mir die Knoll-Lehrbriefe nacheinander durchgelesen habe und mir daneben eine Zusammenfassung geschrieben habe (je nach Thema ca. 1-4 DIN A4 Seiten pro Lehrbrief). Noch ein Wort vorab zu Knoll: ich habe alle Kurse bei Knoll gebucht und zu mir hat das Konzept sehr gut gepasst.
Ich finde den Ansatz lieber in der Vorbereitung, zu schwere und zu lange Klausuren schreiben, um dann gut durch die echte Klausur zu kommen, gut.
Bitte nicht als Werbung oder so falsch verstehen, auch hier gilt wie so oft im Leben ausprobieren und selbst entscheiden! Neben den Knoll-Klausuren habe ich noch Klausuren von Endriss geschrieben (s. Hinweis unten), die fand ich auch gut und kann ich hinsichtlich Schwierigkeitsgrades und Länge empfehlen.
Ich kann Dinge sehr gut lernen, wenn ich sie lese bzw. aufschreibe, daher war diese Lernmethode für mich optimal, um die Basics zu lernen und zu verstehen. Angefangen habe ich mit ErbSt, USt und AO, anschließend BilSt + KSt/GewSt und zum Schluss ESt (bei ESt habe ich nicht mehr alle Lehrbriefe gelesen), GrErwSt und Int. StR.
Ich hatte mir vorgenommen bis zu meiner Freistellung mit allen Lehrbriefen durch zu sein, was bis auf einige ESt-Lehrbriefe auch ganz gut geklappt hat.
Gleichzeitig habe ich den Klausurenfernkurs belegt. Die Besprechung war Mittwochabend und geschrieben habe ich am Samstag.
Am Anfang habe ich 10 Stunden (ESt teilweise sogar noch länger…) für eine 6 Stunden Klausur gebraucht, da ich die Klausur nicht im klassischen Sinne gelöst habe, sondern die Klausuren nur mit Hilfe der Lösung lösen konnte und es am Anfang unglaublich lange gedauert hat.
Lasst euch nicht verunsichern, falls es bei euch auch so ist! Ich habe mich ans Fahrradfahren zurückerinnert gefühlt. Zuerst fährt man mit Stützrädern, um nach und nach immer sicherer und schneller zu fahren. Das Abmontieren der Stützräder, sprich das Weglegen der Lösung, aber nicht vergessen 😉.
Beim Schreiben/Lösen habe ich von Anfang auch immer auf den Korrekturbogen geschaut, um zu lernen wie und wie ausführlich ich die Lösung schreiben muss, damit ich die volle Punktzahl für einen Einzelsachverhalt bekomme. Mir haben am Anfang ErbSt + USt am meisten Spaß gemacht, da ich hier recht schnell kleine Erfolgserlebnisse hatte und man schon die ein oder andere Aufgabe nach relativ kurzer Zeit selbstständig lösen konnte.
Daneben habe ich Vollzeit gearbeitet und konnte ab Anfang Juni 2020 in Freistellung gehen. Ich bin seit Frühjahr 2018 berufstätig und habe von Anfang an viele Überstunden gemacht, Urlaub gespart und meinen Bonus in Freizeit umgewandelt. Somit konnte ich dann in bezahlte Freistellung gehen.
Ich habe relativ schnell für mich herausgefunden, dass ich nicht der Typ für einen Samstagskurs bin, der 1-2 Jahre vor dem Examen beginnt. Ich wollte immer eine relativ kurze, aber dafür intensive Vorbereitungszeit und mein Arbeitgeber ermöglicht auch regelmäßig eine lange Freistellung im Sommer vor der Prüfung (ich arbeite bei einer Big4 Gesellschaft).
Im Nachhinein betrachtet habe ich den großen Sprung in Punkto Wissen und Klausurtechnik auch in der Freistellung gemacht. Falls es die persönlichen Umstände es zulassen, kann ich eine konzentrierte Vorbereitung am Stück nur empfehlen. Die Zeit vor der Freistellung war im Nachhinein betrachtet wichtig für das Fundament, aber nicht entscheidend, um die Prüfung zu bestehen. Aber nun mehr zu meiner Freistellungszeit:
Grundsätzlich habe ich das Lernen in meiner Freistellungszeit wie meinen Job auf Zeit betrachtet, d.h. ca. 8 Stunden konzentriert lernen, aber dann auch den Stift fallen lassen und abends entspannen. Zudem habe ich mir ausgerechnet was mich jeder Tag an Freistellung kostet (bei ca. 25€ Bruttostundenlohn kommt man auf 200€ pro Lerntag…).
Das hat mich nochmals zusätzlich diszipliniert und motiviert, da ich auf keinen Fall einen hart ersparten und teuren Urlaubs-, Überstunden oder Bonustag verschwenden wollte (wie ihr vielleicht merkt, bin ich ein sehr rationaler und analytisch denkender Mensch…).
Ich hatte einen Kollegen als Lernpartner und kann das nur jedem empfehlen, falls man die Möglichkeit dazu hat. Man macht das Gleiche durch, kann sich gegenseitig bestärken und motivieren, hat auch keine Ausreden einen Tag mal zuhause zu bleiben und entwickelt eine gewisse (Lern-) Routine, wenn man weiß, dass jeden Morgen jemand „bei der Arbeit“ auf einen wartet. Wir haben uns immer morgens um ca. 8:00 in einem Besprechungsraum bei der Arbeit getroffen und sind meist so um 18-19 Uhr nach Hause gefahren, in der heißen Phase war es dann auch mal 20-21 Uhr. Ich kann auf Dauer nicht wirklich gut zuhause lernen und trenne auch sonst gerne (örtlich) beruflich und privates.
Auf dem zwanzigminütigen Weg von und zur Arbeit konnte ich mich gedanklich nochmal gut auf mein Tagespensum vorbereiten und dann abends meine tägliche Leistung reflektieren bzw. für den Tag mit Steuern abschließen.
Ab der Freistellung habe ich dann nur noch Klausuren bearbeitet, wenn ich nicht gerade Kurse besucht habe. Ich habe den Examenskurs, den Intensivklausurenkurs und das Probeexamen bei Knoll belegt, alle als Präsenzveranstaltungen. Durch den Examenskurs (5 Wochen, ab Mitte Juli) wollte ich mich gezielt auf die Schwerpunkte vorbereiten und diese nochmal in der Tiefe verstehen. Den Intensivklausurenkurs (2 Wochen = 10 Klausuren, ab Anfang September) habe ich als Härtetest gesehen nach dem Motto „wenn du diese Klausuren von Knoll halbwegs packst, packst du auch das Examen“. Das Probeexamen war im Nachhinein ganz nett, aber würde ich nicht nochmal buchen.
Finanziert habe ich die ganzen Kurse über das Examensbudget meines Arbeitgebers. Mein Ziel war es in Vorbereitung auf den Examenskurs ab Anfang Juni bis Mitte Juli pro Tag eine 6-Stunden-Klausur zu schaffen und diese auch einzuschicken und korrigieren zu lassen. Der Examenskurs an sich war inhaltlich top und ich fand die Dozenten sehr gut. Man hat vormittags Theorie gelernt und anschließend dann eine zweistündige Klausur geschrieben, nachmittags wurde diese dann besprochen. Für mich war das eine sehr gute Mischung, da man so die Klassiker-Themen nochmal inhaltlich vertiefen, aber auch direkt im Rahmen einer Klausur anwenden konnte.
Abends habe ich dann nichts mehr gemacht und mich erholt, da ich einfach platt vom Kurs war. Zwischen Examenskurs und Intensivklausurenkurs habe ich wieder versucht eine Klausur pro Tag zu schreiben, was mal besser mal schlechter funktioniert hat. Hier kann ich als Tipp noch mitgeben, dass man auch mal Klausuren von verschiedenen Anbietern löst, da diese sich in Aufbau und den kleinen Feinheiten unterschieden und man so möglichst viele Varianten an Aufgaben & Klausurfallen gesehen hat.
Den Intensivklausurenkurs habe ich sehr ernst genommen und versucht für mich eine möglichst realitätsnahe Prüfungssituation zu schaffen in dem ich verschiedene klausurtaktische Varianten und Sachen rund um die Prüfung ausprobiert habe.
Bspw. habe ich mal eine Klausur mit Ohropax geschrieben (hab mich dann gegen Ohropax entschieden) und einen Stempel für die Prüfungsnummer verwendet (finde ich sehr sinnvoll und habe ich dann auch in der Prüfung verwendet). Inhaltlich habe ich mir bspw. am Anfang von ErbSt vier Zettel mit den Überschriften „Allgemeiner Teil, Betriebsvermögen, Grundvermögen, übriges Vermögen“ beschriftet und diese dann entsprechend des SV schematisch befüllt oder bei ESt immer mit der KSt/GewSt angefangen, da dies mir meist besser lag als klassische ESt.
So habe ich dann meine eigenen Routinen entwickelt und konnte die Klausuren mit mehr Selbstsicherheit durch meine Ordnungsschemata angehen. Außerdem habe ich mir Standardformulierungen für jedes Prüfungsfach zusammengeschrieben und immer wieder verwendet bis ich diese im Schlaf konnte, um noch ein, zwei Minuten an der jeweiligen Stelle zu sparen.
Bspw. konnte ich den allgemeinen Erbschaftsteuerteil in ca. 3-4 Minuten runter schreiben, ohne nachzudenken. Dafür habe ich diesen immer und immer wieder hintereinanderweg runtergeschrieben (ich habe mich da teilweise echt reingesteigert und für einen Außenstehenden mag das ziemlich verrückt bzw. neurotisch erscheinen, aber so kämpft man gegen die Nervosität an und man spart an trivialen Stellen Zeit, um an anderer Stelle mehr überlegen zu können).
Hier kommen auch wieder die Korrekturbögen in Spiel: ich habe meine Lösungen auf ein Minimum an Worten, Gesetzeszitaten und Richtlinienverweisen heruntergebrochen, sodass alle entscheidenden Stichworte für die Lösung drinstehen und der Korrektor nicht drum herumkommt mir den Punkt zu geben (im Zweifel freut er sich auch darüber, dass er nicht so viel Text lesen muss). Ich habe mich auch versucht in die Rolle des Korrektors zu versetzen und habe daraufhin an meiner Handschrift gearbeitet, breiter und übersichtlicher geschrieben und viel Platz auf jeder Seite gelassen (Feedback aus den eingereichten Klausuren ernst nehmen!).
Ich wollte es dem Korrektor so leicht wie möglich machen meine Klausur zu korrigieren und mir möglichst viele Punkte zu geben. Am Ende sind es Menschen, die die Klausuren korrigieren (man mag es kaum glauben), diese werden pro Klausur bezahlt (habe mal gehört ca. 50€ pro Examensklausur) und wenn ich ihm eine strukturierte und äußerlich ansprechende Lösung präsentiere, ist er zumindest nicht von Anfang an schlecht gelaunt und vielleicht etwas wohlwollender ggü. dem Inhalt gestimmt. Die Klausurnacharbeit ist auch ein wichtiger Punkt. Ich habe bei den Klausuren, die ich unter Echtbedingungen geschrieben habe (also keine Lösung verwendet und die Zeit eingehalten), relativ detailliert anhand des Korrekturbogens analysiert wo ich Punkte bekommen habe und wo nicht. Dadurch konnte ich dann ungenaue bzw. unnötige Formulierungen anpassen/streichen bzw. fehlende Sätze, Zitate und Berechnungen zu meinem geistigen Lösungsschema ergänzen.
Nach dem Intensivklausurenkurs habe ich gemerkt, dass ich Regeneration benötige und habe daher ein paar Tage etwas weniger gemacht und mich mehr ausgeruht. Anschließend habe ich die Klausuren nur noch angezeichnet, d.h. mir im Kopf den Lösungsweg überlegt und die entscheidenden Zitate und Berechnungen hingeschrieben, einerseits um nochmal möglichst viele Aufgabentypen und -varianten zu sehen, aber auch um meine Schreibhand etwas zu schonen.
Es ist ganz entscheidend, dass man sich psychisch als auch physisch am ersten Prüfungstag in möglichst optimalem Zustand befindet. Achtet daher auch darauf, dass ihr kurz vor der Klausur nicht völlig ausgelaugt seid und gebt eurem Geist & Körper die nötige Zeit zur Regeneration!
Hört auf euer Gefühl und lasst euch nicht von irgendwem einreden was angeblich richtig ist. Manche lernen bis zum Abend vor der Klausur, weil sie ansonsten nicht abschalten oder mit einem guten Gefühl in die Prüfung gehen können, andere hören eine Woche vorher auf zu lernen und regenerieren bis zur Prüfung. Das Wichtigste ist, dass ihr euch an diesem Dienstag um 9:00 gesund und im Rahmen eurer Möglichkeiten optimal vorbereitet fühlt.
Der Rest ist dann (leider) auch zum gewissen Grad Glück.
Ich hoffe ich konnte einen Einblick und vielleicht den ein oder anderen nützlichen Tipp geben.
Wie oben schon erwähnt sind mMn drei Dinge entscheidend:
1. Disziplinierte Vorbereitung auf die inhaltlichen Standardthemen und Einüben von Lösungsschemata
2. Möglichst gute geistige & körperliche Tagesform durch individuelle Vorbereitung und gesunden Lebenswandel
3. Glück.
Bei Fragen oder Anmerkungen könnt ihr gerne meinen Text kommentieren, eure E-Mail hier posten (ich schreibe euch dann) oder eine E-Mail an Beate schreiben (sie sieht meine E-Mail-Adresse und kann diese dann gerne im Einzelfall an euch weiterleiten).
Glückwunsch an alle die es geschafft haben und alles Gute & viel Erfolg an diejenigen, die sich dieser Prüfung noch(mal) stellen.
Ihr packt das, glaubt an euch!
LG
LW